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Reflexion: eine fehlende Kompetenz

Einleitung

Wir hetzen jeden Tag von einer Aufgabe zur nächsten.

Dabei nehmen wir uns kaum Zeit, innezuhalten und nachzudenken: Was lief gut? Was nicht? Gehen wir überhaupt in die für uns „richtige“ Richtung?

Dieser Prozess, der Reflexion genannt wird, ist etwas, das viele von uns nie bewusst gelernt haben. Reflexion bedeutet, gezielt kritisch über Gedanken, Handlungen und Erfahrungen nachzudenken, um daraus Erkenntnisse zu gewinnen und sich weiterzuentwickeln.

Für viele fühlt sich Reflexion ungewohnt oder sogar fremd an, doch:

Reflexion kann mehr…

… als nur Vergangenes zu betrachten – sie hilft, aus diesen Erkenntnissen zu lernen und für zukünftige Situationen zu nutzen.

Die Vorteile von Reflexion sind vielfältig, wissenschaftlich gut belegt und führen z. B. zu:

  1. Verbesserung des Wohlbefindens
    • Reflexion hilft dabei, Emotionen besser zu regulieren und stressbedingte Auswirkungen zu reduzieren. Sie fördert die Fähigkeit, aus negativen Erfahrungen zu lernen und emotional zu wachsen (Murdoch et al., 2022).
    • Sie unterstützt auch die Bewältigung von Stress durch strukturiertes Denken und Perspektivwechsel (Kross et al., 2023).
  2. Persönlichen und berufliche Entwicklung
    • Selbstreflexion hilft, Stärken und Schwächen besser zu verstehen, wodurch gezielte Verbesserungen möglich werden. Dies wurde insbesondere in beruflichen Kontexten wie der Medizin und Psychologie beobachtet (Sandars, 2009).
    • Reflexion während und nach der Arbeit fördert berufliche Kompetenz und fundierte Entscheidungen (Cattaneo & Motta, 2020).
  3. Verbesserung der Entscheidungsfindung
    • Selbstreflexion fördert eine tiefere Analyse und fundierte Entscheidungen, indem sie unbewusste Vorurteile reduziert und rationale Denkweisen unterstützt (Phillips et al., 2016).
    • Reflexion ermöglicht es, auf vergangene Entscheidungen zurückzublicken und Lehren für zukünftige Herausforderungen zu ziehen (Smallwood et al., 2011).
  4. Kognitiven und emotionale Vorteilen
    • Selbstreflexion stärkt die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme und fördert Mitgefühl, insbesondere in therapeutischen und klinischen Berufen (Gale & Schröder, 2014).
    • Reflexion trägt zur Verbesserung des Gedächtnisses und der mentalen Klarheit bei, was entscheidend für die Bewältigung komplexer Aufgaben ist (Johnson et al., 2002).

Die wissenschaftlich fundierten Vorteile der Reflexion lassen sich durch einfache, strukturierte Schritte effektiv in den Alltag integrieren.

Sandars spricht vom „Drei-Phasen Modell der Reflexion„:

  • Wahrnehmen: Ein Ereignis oder eine Situation erkennen, die Reflexion erfordert. Diese Phase umfasst das Bewusstwerden und emotionale Auslöser, die tieferes Nachdenken anstoßen.
  • Verarbeiten: Die Erfahrung verstehen, indem sie analysiert und interpretiert wird. Dabei spielen emotionale Regulation und die Integration von Feedback eine wichtige Rolle.
  • Zukünftiges Handeln: Die gewonnenen Erkenntnisse nutzen, um zukünftiges Verhalten und Entscheidungen zu planen und zu verbessern. Dieser Prozess verläuft häufig zyklisch.

Ich möchte dir hier ein ganz einfaches Rahmenwerk an die Hand geben, mit welchem eine einfache Alltagsreflexion durchgeführt werden kann:

Die 4 Perspektiven.

4 Perspektiven: Einfache Alltagsreflexion

Die 4 Perspektiven unterstützen dich dabei, Klarheit zu gewinnen. Du erkennst, was gut läuft und wo du dich verbessern kannst. Sie unterstützen dich, den Fokus zu behalten, indem du deine Handlungen mit deinen Zielen und Werten abgleichst. Du kannst gezielte Veränderungen planen und die nächsten Schritte festlegen – so triffst du bewusste und reflektierte Entscheidungen.

So führst du die Reflexion durch:

  1. Nimm einen Stift und ein Blatt Papier.
  2. Notiere die folgenden vier Perspektiven als Überschriften: Gewinne, Ausrichtung, Ergebnisse, Anpassung oder nutze mein praktisches Arbeitsblatt aus dem Downloadbereich.
  3. Schreibe zu jeder Kategorie stichpunktartig deine Gedanken auf:
  • Gewinne: Was lief gut? Welche Erfolge kannst du anerkennen?
  • Ausrichtung: Stimmen deine Handlungen und Ergebnisse mit deinen Werten und Zielen überein?
  • Ergebnisse: Welche Ziele hast du erreicht oder nicht erreicht?
  • Anpassung: Was möchtest du in Zukunft ändern oder verbessern?

Das schriftliche Festhalten hilft, deine Reflexion zu strukturieren und klar zu gestalten.

Mach Reflexion zur Gewohnheit

Reflexion wird besonders kraftvoll, wenn sie Teil deiner Routine wird. Schon ein paar Minuten pro Woche reichen aus, um langfristig Fortschritte zu sehen.

Praktische Tipps für die Umsetzung:

  1. Plane eine feste Zeit: Wähle einen bestimmten Tag und eine feste Uhrzeit – zum Beispiel Sonntagabend.
  2. Schreibe oder erzähle bewusst: Nutze ein Tagebuch oder eine Notiz-App, um deine Gedanken festzuhalten, oder sprich über deine Woche mit einer Vertrauensperson.
  3. Nutze die 4 Perspektiven: Beantworte sie systematisch und beobachte deine Fortschritte über die Zeit.

Mit einem systematischen Ablauf und einem festen Zeitpunkt wird Reflexion zu einer einfachen, aber wirkungsvollen Gewohnheit, die dich bewusster und zielgerichteter leben lässt.

Probiere es aus

Bereit weiterzudenken?

>>> Im Downloadbereich findest du ein praktisches Arbeitsblatt mit vorgefertigten Spalten zum direkten ausfüllen in Deutsch und Englisch <<<

Literaturverzeichnis

Cattaneo, A. A. P., & Motta, E. (2020). “I Reflect, Therefore I Am… a Good Professional”. On the Relationship between Reflection-on-Action, Reflection-in-Action and Professional Performance in Vocational Education. Vocations and Learning, 14, 185–204.
Gale, C., & Schröder, T. (2014). Experiences of self-practice/self-reflection in cognitive behavioural therapy: A qualitative analysis of the impact on trainees. Behavioural and Cognitive Psychotherapy, 42(5), 488–501.
Johnson, S. C., Baxter, L. C., Wilder, L. S., Pipe, J. G., Heiserman, J. E., & Prigatano, G. P. (2002). Neural correlates of self-reflection. Brain, 125(8), 1808–1814.
Kross, E., & Ong, D. C. (2023). Self-reflection at work: Why it matters and how to harness its potential. Current Opinion in Psychology, 49, 101484.
Murdoch, E. J., & Chapman, K. (2022). The effectiveness of self-distanced versus self-immersed reflection on stress reduction and emotion regulation. Journal of Experimental Social Psychology, 99, 104282.
Phillips, A., Fletcher, S., Marks, D., & Hine, D. (2016). Thinking styles and decision-making: A meta-analysis. Psychological Bulletin, 142(3), 260–290.
Sandars, J. (2009). The use of reflection in medical education: AMEE Guide No. 44. Medical Teacher, 31(8), 685–695.
Smallwood, J., & Schooler, J. W. (2011). Self-reflection and the temporal focus of the wandering mind. Consciousness and Cognition, 20(4), 1120–1126.

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