Schwierige Gespräche führen – weil die Beziehung zählt
“Being uncomfortable is part of being human.
But when there’s tension between two people – it’s an opportunity to lean in.”
(Simon Sinek).
Führung ist Beziehungsarbeit.
Und genau dort wird es schwierig – nämlich dann, wenn es zwischen Menschen knirscht.
Ein Ton ist gereizter. Eine Kollegin zieht sich zurück. Ein Konflikt liegt in der Luft – unausgesprochen. Viele Führungskräfte spüren früh, dass da etwas nicht stimmt.
Oft zögern wir: Soll ich das ansprechen? Wird es dadurch besser – oder nur noch unangenehmer?
Vermeidung wirkt kurzfristig wie Schutz. Aber langfristig beschädigt sie das, was Zusammenarbeit möglich macht: Vertrauen. Offenheit. Sicherheit.
„This relationship matters to me. That’s why I want to have this conversation.”
In einem Video beschreibt er, wie man schwierige Gespräche so führen kann, dass sie nicht spalten – sondern klären. Seine Haltung ist klar: Die Fähigkeit, solche Gespräche zu führen, ist kein Kommunikationstrick. Es ist eine menschliche Kompetenz. Und eine Führungsaufgabe.
In diesem Blog beschäftigen uns wir mit diesem Vorgehen, gestützt durch wissenschaftliche Hintergründe.
Sechs Prinzipien für wirksame Konfliktgespräche
Diese sechs Schritte sind ein Vorschlag für eine strukturierte Gesprächsführung und können Führungskräfte dabei unterstützen, unangenehme Gespräche klar, empathisch und wirkungsvoll zu gestalten:
- Spannung früh benennen – nicht unterdrücken
- Gespräch ankündigen – nicht überraschen
- Verletzlichkeit zeigen – statt Härte zu spielen
- Erlaubnis einholen – nicht überrumpeln
- Gefühl – Verhalten – Wirkung benennen (GVW)
- Zuhören – nicht rechtfertigen
Lasst uns genauer darauf eingehen.
1. Spannung früh benennen – nicht unterdrücken
Was unausgesprochen bleibt, verschwindet nicht – es wirkt.
Irritationen, die nicht benannt werden, untergraben langfristig Vertrauen.
In meiner ersten Teamposition – ich erinnere mich noch genau – ich hatte so ein Gefühl, irgendwas knirschte in der Beziehung.
Mein erstes „schwieriges Gespräch“ begann genau so:
„Ich habe den Eindruck, dass da gerade etwas unausgesprochen zwischen uns steht. Können wir kurz darüber sprechen?“
Edmondson prägte das Konzept der psychological safety als ein gemeinsames Teamgefühl, dass es sicher ist, zwischenmenschliche Risiken einzugehen – etwa, Fehler zuzugeben, Fragen zu stellen oder Bedenken zu äußern. In ihrer Studie zeigte sie, dass Teams mit hoher psychologischer Sicherheit deutlich offener kommunizieren, besser lernen und effektiver zusammenarbeiten (Edmondson, 2008).
2. Gespräch ankündigen – nicht überraschen
Ein Gespräch über einen Konflikt oder eine Herausforderung sollte nicht spontan passieren – sondern gut vorbereitet.
Schon eine kurze Ankündigung verändert die Gesprächsdynamik.
„Ich habe ein Thema, das nicht ganz einfach ist – aber die Beziehung zu dir ist mir wichtig. Wäre jetzt ein guter Moment dafür?“
Eine kurze Ankündigung ermöglicht mentale Vorbereitung und senkt die Wahrscheinlichkeit von Stressreaktionen. Untersuchungen zur Emotionsregulation zeigen: Wer weiß, was kommt, kann besser zuhören und konstruktiv reagieren. Gerade in kritischen Gesprächen reduziert das nachweislich kognitive Unsicherheit und erhöht Gesprächsbereitschaft (Stephan, 2008).
3. Verletzlichkeit wahrnehmen – statt Härte zu spielen
Führung ist keine Bühne für Perfektion.
Gerade in schwierigen Gesprächen wirkt Ehrlichkeit stärker als Souveränität.
„Ich bin mir nicht sicher, ob ich die richtigen Worte finde – aber ich möchte es trotzdem ansprechen.“
Diese Offenheit senkt Abwehr beim Gegenüber und erleichtert Dialog. Der Mut, nicht perfekt aufzutreten, stärkt die Verbindung – und ist langfristig wirksamer als autoritäre Klarheit. In mehreren Studien zeigte sich, dass verletzliche, demütige Führung zu mehr Offenheit und psychologischer Sicherheit im Team führt. Führungskräfte, die Unsicherheit zulassen, fördern Vertrauen und Lernkultur (Oc et al., 2020).
4. Erlaubnis einholen – nicht überrumpeln
Timing entscheidet oft über Gesprächstiefe. Wer fragt, stärkt das Gefühl von Kontrolle – und damit die Gesprächsbereitschaft.
„Ich möchte gern etwas ansprechen – passt das gerade, oder ist ein anderer Moment besser?“
Die Möglichkeit zur Mitgestaltung des Gesprächsverlaufs stärkt Autonomie und reduziert emotionale Reaktanz. Studien zeigen: Selbst kleine Wahlfreiheiten – etwa durch „empowernde Führung“ – verbessern Vertrauen, Gesprächsbereitschaft und senken Konfliktpotenzial messbar (Joo, Yoon & Galbraith, 2022).
5. GVW nutzen: Gefühl – Verhalten – Wirkung
Kritik – ein oftmals nicht ganz einfacher Begriff – wirkt dann konstruktiv, wenn sie nicht bewertet, sondern beschreibt. Das Vorgehen in der Reihenfolge (Gefühl – Verhalten – Wirkung) unterstützt dabei.
„Ich habe den Eindruck, dass nach meiner Aussage gestern etwas zwischen uns steht (Gefühl). Ich kann es nicht genau benennen, aber deine Reaktion im Gespräch wirkte auf mich ungewohnt zurückhaltend (Verhalten). Deshalb möchte ich gerne nachzuhaken, bevor sich da etwas festsetzt (Wirkung).“
Klar strukturierte Rückmeldung wird besser verstanden und seltener abgewehrt. Forschung zeigt: Feedback ist dann besonders wirksam, wenn es verhaltensbasiert, zeitnah und respektvoll formuliert wird. Eine wertschätzende Sprache, die auf die „Face Needs“ des Gegenübers achtet – also dessen Wunsch nach Respekt, Anerkennung und Zugehörigkeit – fördert psychologische Sicherheit im Team. Mitarbeitende sind in einem solchen Klima eher bereit, offen zu kommunizieren, Fehler einzugestehen und Verantwortung zu übernehmen (Smith, 2006).
6. Zuhören – nicht rechtfertigen
Der wichtigste Moment kommt oft nach dem Sprechen: das Zuhören.
Viele Gespräche scheitern nicht an der Kritik – sondern an der vorschnellen Rechtfertigung.
„Danke, dass du das offen gesagt hast.“
(Dann: Pause.)
Wirkliches Zuhören – ohne Gegenargument – wirkt. Es signalisiert: Ich bin bereit, dich zu verstehen. Wer sich gehört fühlt, ist eher bereit, Feedback anzunehmen und Verantwortung zu übernehmen.
Bereits Rogers & Farson (1957) beschrieben aktives Zuhören als Schlüssel für Vertrauen und zwischenmenschliche Verbindung – eine Haltung, bei der das Verstehen im Vordergrund steht, nicht das Antworten.
Moderne Führungskonzepte greifen diesen Gedanken auf: Aktives, empathisches Zuhören gilt heute als zentrales Führungsinstrument, das psychologische Sicherheit fördert, Dialog ermöglicht und Verbindung schafft (Younger, 2023).
Fazit: Nicht der Konflikt ist das Risiko – sondern das Schweigen
Konflikte, Missverständnisse oder Spannungen lassen sich nicht vermeiden – aber sie lassen sich gestalten.
Nicht das Unangenehme ist das Problem, sondern der Umgang damit und gute Führung zeigt sich dort, wo es schwierig wird.
Wenn wir als Führungskräfte bereit sind, Spannung anzusprechen, Unsicherheit auszuhalten und ehrlich zuzuhören, entsteht das, was Teams wirklich trägt: Vertrauen, psychologische Sicherheit und die Bereitschaft zur Verantwortung.
Die sechs Prinzipien, inspiriert von Simon Sinek und gestützt durch psychologische Forschung, zeigen:
Es braucht keine perfekten Worte. Es braucht Haltung, Klarheit – und die Entscheidung, in Beziehung zu bleiben.
Und genau hier beginnt gute Zusammenarbeit.
Denn Gespräche allein reichen nicht. Was danach kommt, ist ebenso entscheidend: Reflexion – über das, was gesagt wurde und was es bedeutet. Entscheidungen, die nicht willkürlich, sondern auf fundierter Grundlage getroffen werden und klar begründet werden können. Und ein Umgang mit Veränderung, der nicht nur schnell, sondern auch nachhaltig und wirksam ist.
Wenn du vertiefen möchtest, wie systemische Reflexion, evidenzbasierte Entscheidungen und nachhaltiger Wandel gelingen können, empfehlen wir dir unsere Beiträge zu:
- Reflexion als Führungsinstrument
- Evidenzbasiertes Veränderungsmanagement
- Entscheidungsfindung in komplexen Organisationen
Und für alle, die agile Zusammenarbeit konkret und machbar gestalten wollen, legen wir unser Praxis- und Methodenhandbuch „Agil einfach machen“ – mit erprobten Tools, klaren Prinzipien und vielen Beispielen aus der Praxis – ans Herz:
Denn gelingende Führung endet nicht beim schwierigen Gespräch – sie beginnt genau dort, wo echtes Zuhören, Mut und Klarheit gefragt sind.
Bereit weiterzudenken?
Referenzen
Edmondson, A. (2008). Psychological safety and learning behavior in work teams. Harvard Business School.
Joo, B., Yoon, S., & Galbraith, D. D. (2022). The effects of organizational trust and empowering leadership on group conflict: Psychological safety as a mediator.
Oc, B., Daniels, M. A., Diefendorff, J. M., Bashshur, M., & Greguras, G. J. (2020). Humility breeds authenticity: How authentic leader humility shapes follower vulnerability and psychological safety.
Rogers, C. R., & Farson, R. E. (1957). Active Listening. Chicago: Industrial Relations Center, University of Chicago.
Smith, E. M. (2006). Fostering psychological safety through facework: The importance of the effective delivery of performance feedback.
Stephan, W. G. (2008). Psychological and communication processes associated with intergroup conflict resolution.
Younger, H. R. (2023). The art of active listening: How people at work feel heard, valued, and understood. Oakland, CA: Berrett-Koehler Publishers.
BEREIT WEITERZUDENKEN?